Nicht kleckern, Klötzchen!
Das Phänomen Minecraft geht in die nächste Runde! Nachdem vor 10 Jahren der Startschuss zum kreativen Klötzchen-Abenteuer gefallen ist, wagt sich Entwickler Mojang nun mit dem Franchise in neue Gefilde vor. Minecraft Dungeons ist, wie der Name vermuten lässt, ein waschechter Dungeon Crawler, der sowohl alte Fans als auch Neueinsteiger in die Minecraft Welt begeistern möchte. Ob das gelingt, erfahrt ihr in unserem Test, für den Microsoft uns freundlicherweise ein Testmuster zur Verfügung gestellt hat. Gespielt wurde auf einer Xbox One.
Zurückweisung kann so schmerzhaft sein. Als ein Illager durch die Welt von Minecraft zog und um Unterschlupf in einem der Dörfer bat, wurde er brüsk zurückgewiesen. Auf der Suche nach einem Platz zum Überleben zog es den Illager in eine dunkle Höhle, in der er durch Zufall eine mächtige Kugel fand. Nun, als Erz-Illager bekannt, beginnt er mit seiner Rache gegen die umliegenden Dörfer. Und ihr müsst ihn aufhalten!
Klingt banal? Ist es auch, denn mit einer ausgeklügelten Story überrascht Minecraft Dungeons nicht gerade. Ihr zieht aus einem kleinen Hub-Dorf heraus über eine Weltkarte in die unterschiedlichen Regionen des Reiches und erledigt dort Story-Missionen, die bis auf eine kleine Situationsbeschreibung jedoch nicht viel Geschichte zu bieten haben. Weder gewinnt der Charakter des Erz-Illagers an Tiefe, noch begegnen euch interessante NPCs oder Weggefährten.
Das liegt vor allem daran, dass Minecraft Dungeons als familientauglicher Dungeon Crawler konzipiert wurde, der am besten gemeinsam mit den Kids auf der Couch oder mit Freunden via Xbox LIVE funktioniert. Eine tiefgründige Story, die man verpassen könnte, wenn man nicht bei jeder Mission dabei ist, wäre für Gelegenheitsspieler tatsächlich hinderlich. Schade ist die Abstinenz einer toll erzählten Geschichte trotzdem.
Der Weg ist das Ziel
Und so werdet ihr in den einzelnen Missionen auch nicht mit bedeutsamen Zielen konfrontiert, sondern mit einfachen Aufgaben wie „Rettet die Dorfbewohner“ oder „Warnt ein Dorf vor einer nahenden Attacke.“ Auf der Übersichtskarte entscheidet ihr euch zu Beginn für eine Region, die je nach Lage mit einem anderen Setting aufwartet. Sumpflandschaften bereist ihr ebenso wie Redstone Minen oder golden-herbstlich anmutende Agrarlandschaften.
Die einzelnen Aufträge sind dabei nach Charakter-Leveln gestaffelt, die den Schwierigkeitsgrad vorgeben. In welcher Reihenfolge ihr diese absolviert ist euch überlassen. So könnt ihr auch in neue Regionen mit einem höheren Level als eurem eigenen vorstoßen, was natürlich den Schwierigkeitsgrad erhöht. Den dürft ihr übrigens je Mission hochschrauben, um mit steigender Gefahr auch euer Character Building zu beschleunigen.
Denn Minecraft Dungeons nutzt die klassischen RPG-Elemente von Dungeon Crawlern wie Diablo oder Torchlight und lässt euren Charakter aufleveln. Das geschieht mit Levelaufstiegen allerdings automatisch, sodass ihr keine Erfahrungspunkte manuell verteilen müsst. Jedoch bekommt ihr mit jedem Aufstieg Fähigkeitspunkte. Diese dürft ihr anschließend in unterschiedliche Perks eurer Waffen und Rüstungen investieren.
So steigert ihr beispielsweise die Angriffskraft eures Schwerts oder schaltet Pfeile frei, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit von getroffenen Gegnern auf weitere Feinde abprallen. An sich ist das eine nette Sache, es gibt jedoch ein großes Problem. In Minecraft Dungeons gibt es keine Klassen. Euren Spielstil legt ihr also mittels eurer Waffen und deren Fertigkeiten fest.
Nun sind Dungeon Crawler eben stark auf Loot ausgerichtet. Daher findet ihr immer wieder neue, stärkere Waffen, die ihr natürlich auch nutzen wollt. Zwar bekommt ihr investierte Fertigkeitspunkte wieder, wenn ihr Waffen verwertet. Ihr ändert allerdings mit jeder stärkeren Waffe auch wieder euren Spielstil und müsst diese Punkte dann neu verteilen. Das nervt und führt das System leider ad absurdum.
Gemeinsam gegen die Zombie-Horden
Besser klappen hier die Gebrauchsgegenstände wie Stiefel, mit denen ihr auf Knopfdruck für kurze Zeit eure Bewegungsgeschwindigkeit erhöht. Diese Gegenstände löst ihr manuell mit dafür vorgesehenen Slot-Tasten aus, die zum Beispiel auf der X- oder Y-Taste liegen.
Wahlweise alleine, im Couch-Koop oder mit Freunden im Online-Multiplayer zieht ihr dann in der Iso-Perspektive durch die aus typischen Minecraft-Blöcken gestalteten Level. Mit der A-Taste verteilt ihr Standard-Attacken, während ihr mit dem rechten Trigger auf Distanz Feinde mit dem Bogen ausschaltet.
Die Gebiete sind dabei sehr weitläufig und es gibt einiges zu entdecken. Wer nicht blind dem Zielindikator hinterherläuft, der kann einige tolle Bereiche erkunden und dort Edelsteine einsammeln. Diese kann man bei Händlern in Zufallsausrüstungen investieren. Außerdem findet ihr versteckte Truhen und Zugänge zu geheimen Dungeons oder Abkürzungen im Untergrund.
Solo macht Minecraft Dungeons durchaus Laune. Im Koop entfaltet der Titel jedoch seine ganze Faszination. Steuerung und Gameplay sind so zugänglich, dass auch Gelegenheitsspieler schnell zurechtkommen und ihr in der Gruppe Spaß haben könnt. Abseits des Gemeinschaftsaspekts warten jedoch keine großen spielerischen Herausforderungen auf euch.
Ein harter Dungeon Crawler ist Minecraft Dungeons nicht geworden. Das bekommt ihr vor allem zu spüren, wenn ihr alleine unterwegs seid. Außerdem gibt es wenig Synergieeffekte zwischen den Gruppenmitgliedern aufgrund der fehlenden Klassen. Hier geht die Zugänglichkeit auf Kosten spielerischer Tiefe. Auch sind die Level etwas zu groß geraten, was viel Zeit in Anspruch nimmt. „Mal eben eine Mission“ zu machen ist in diesem Titel nicht drin.
Kurzes Minecraft-Vergnügen
Und da haben wir ein weiteres Manko von Minecraft Dungeons. Die einzelnen Gebiete ufern zwar aus und schenken euch ordentlich Spielzeit. Der Gesamtumfang fällt jedoch mager aus. Denn sobald nach einigen Stunden im Spiel neue Aspekte hinzukommen und auch der Schwierigkeitsgrad endlich eine ordentliche Herausforderung bietet, ist euer Abenteuer schon vorbei.
Da hinterlässt es einen faden Beigeschmack, dass euch weitere Missionen als kostenpflichtiger DLC angeteasert werden. Klar, ihr könnt die bereits absolvierten Missionen noch einmal in zwei zusätzlichen Schwierigkeitsstufen meistern. Aber viel Neues gibt es hier nicht zu entdecken. Allerdings ist das Hauptspiel mit knapp 20,- € nicht übermäßig teuer.
Dafür dürfen sich Franchise-Fans an der einzigartigen Minecraft-Atmosphäre mit ihrer Klötzchen-Optik sattsehen, die für Minecraft Dungeons gekonnt eingefangen wurde. Vor allem die Lichteffekte können sich sehen lassen und verpassen dem Minecraft-Stil noch einmal einen ganz neuen Anstrich. Schade, dass ihr nicht mit der Umgebung interagieren könnt und diese auch nicht Minecraft-typisch zerstörbar ist.
Als besonders gelungen empfanden wir die Soundeffekte des Spiels. Ihr bekommt satte Klänge geboten, die vom Klirren eures Schwertes bis zum Aufsammeln von Juwelen eine großartige Klangatmosphäre erzeugen. Auch der orchestrale Soundtrack trägt zu einem intensiven Spielgefühl bei. Die Story-Passagen bekommt ihr zudem von einer gut vertonten deutschen Erzählerin präsentiert.
Wertung
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85%
Fazit
Minecraft Dungeons ist ein gelungener Ausflug in ein für Mojang noch unbekanntes Genre. Faszinierend für Minecraft-Fans sowie zugänglich für Neueinsteiger spricht es eine breite Zielgruppe an und motiviert euch, gemeinsam mit Freunden oder euren Kids auf die Jagd nach dem Erz-Illager zu gehen.
Das Core-Gameplay eines guten Dungeon Crawlers haben die Entwickler dabei hervorragend umgesetzt. Die Kämpfe fühlen sich griffig und actionlastig an, es gibt netten Loot abzustauben und in den umfangreichen Leveln viel zu entdecken.
Leider ist der Gesamtumfang eher dürftig und auch in Sachen Gameplay hätten wir uns mehr Tiefe gewünscht. So sind wirkliche Herausforderungen in den ersten Spielstunden rar gesät und die für Edelsteine käuflich zu erwerbenden Zufallsdrops bei Händlern selten nützlich.
Warum hat sich Mojang nicht an den Stärken von Minecraft orientiert und das Craften von Waffen implementiert? Warum ist die Welt trotz Klötzchenoptik sehr steril und nicht ansatzweise zerstörbar? Die Ausrüstungsentwicklung ist generell Fluch und Segen zugleich. Einerseits seid ihr nicht an Klassen gebunden, andererseits raubt euch das Spiel so auch Synergieeffekte in Gruppenkämpfen. Zudem nervt das ständige Neuordnen der Fertigkeitspunkte bei besserem Loot.
Alles in allem ist aus Minecraft Dungeons dennoch ein gutes Spiel geworden, welches jedoch viel Potenzial liegen lässt. Es bringt euch trotz der Mankos durch leicht zugängliches Gameplay viele Stunden gemeinsamen Spielspaß auf der Couch oder via Online-Multiplayer – egal, ob ihr mit Minecraft-Fans zockt oder euren Kindern dieses tolle Hobby näherbringen wollt. Wir sind gespannt, was Mojang in kommenden DLCs noch auffährt.